19 November 2012 0 Kommentare

Rational

Ich sitze immer wieder vor dem Rechner und überlege, was in einem nächsten Post stehen soll. Zeit dafür ist es schon lange. Aber in den letzten Wochen ließ sich einfach keine klare Grundstimmung herausfiltern, deren Beschreibung wiedergeben könnte, wie es mir momentan geht.
Ich habe mir rational alles erklärt. Ich habe es durchdacht. Ich habe es besprochen. Und ich habe es auch verstanden. Viele der letzten Wochen waren von Rationalität geleitet. Die meisten eigentlich. Trotzdem schleicht sich Stück für Stück die Traurigkeit an mich heran. Dabei weiß ich nicht einmal, wem oder was genau diese Traurigkeit gilt. Allem voran bin ich enttäuscht. Ich bin tief und maßlos enttäuscht. In den letzten Wochen habe ich realisiert, dass meine Beziehung und damit ein so wesentlicher Teil meines Lebens nicht ansatzweise das gewesen ist, für das ich sie gehalten habe. Dabei habe ich immer versucht, alles zu investieren, was ich hatte. Ich habe mich gekümmert und gesorgt und oft genug mich selbst dabei vergessen. Das alles wäre in Ordnung, wenn ich auch nur ansatzweise etwas ähnliches zurückbekommen hätte. Ich habe immer geglaubt, dass mein Partner einfach nur schwerlich aus sich heraus kann, dass er eben ruhig ist und schlichtweg nicht dieser metaphorische Mann großer Worte. In meinen heutigen Augen ist er das und noch viel weniger. Mir ist klar geworden, dass ich die meiste Arbeit dieser Beziehung übernommen habe, dass ich sie fast allein geführt habe. Und als ich sie einmal nicht führen konnte, weil ich ein einziges Mal selbst Unterstützung gebraucht habe, ist alles in sich zusammen gefallen. Es gab einfach keine anderen Pfeiler als die, die ich selbst dargestellt habe. Was mich traurig macht, ist die Erkenntnis, wie wenig ich für all das bekommen habe. Ich habe nie um etwas gebeten und habe noch viel weniger bekommen. Jeder Mensch verdient es, von seinem Partner geachtet und unterstützt zu werden. Besonders in den Momenten und an den Stellen, die er selbst aus den unterschiedlichsten Gründen nicht für sich selbst bewältigen kann. Ich habe nie große Gesten erwartet oder bedeutungsvolle Reden, sondern war immer mit den kleinen Zeichen der Vertrautheit zufrieden. Deshalb fällt es mir jetzt so schwer, dieses Ende nicht als einen Schlag ins Gesicht zu empfinden. Mir klingt so oft noch in den Ohren, wie er tatsächlich gesagt hat "Wahrscheinlich ist das einfach nur noch Gewöhnung." und damit die einzige Weise meinte, mit der er mir je hat zeigen können, dass ich ihm näher stand als jeder andere Mensch. Es schockiert mich immer noch, wie achtlos er das sagen konnte und wie wenig er versteht, welche Bedeutung diese Aussage hat. Nicht für mich, sondern für ihn. Das war immer die einzige Art, auf die er zeigen konnte, dass er mich geliebt hat, und am Ende dekonstruiert er genau diese Art ganz allein.
Für mich ist das die Chance, irgendwann tatsächlich jemanden zu finden, der sich auch um mich kümmert, der sich um mich sorgt und darauf achtet, dass ich selbst genug auf mich achte. Doch das hat Zeit, denn im Moment sehe ich voller Bewunderung, wie meine Freunde und meine Eltern genau das für mich leisten. Ohne sie wäre ich zweifellos nicht in der Lage, an diesem so wichtigen Punkt in  meinem Leben den Fokus auf die schweren Aufgaben zu legen, die vor mir liegen. Obwohl ich einen so wichtigen Teil meines Lebens verloren habe, sehe ich in diesem Moment mit weniger Sorgen auf die Zukunft der nächsten Wochen und Monate. So ganz erschließt sich mir dieses Missverhältnis nicht. Es fehlt derjenige, der mich hätte unterstützen sollen, und trotzdem fühle ich mich weniger unsicher als in den ganzen Jahren zuvor. Natürlich bin ich weit weg von Überzeugung und Euphorie, aber genauso wenig melden sich die Selbstzweifel, die besonders die letzten Jahre geprägt haben. Immer in den leisen Momenten, in denen ich allein meinen Gedanken zuhören konnte. Das war noch nie eine geschätzte Beschäftigung von mir.
Jetzt bin ich in diesen leisen Momenten vorwiegend traurig und ich weine etwas mehr als noch vor 3 Monaten. Doch niemals lange. Und außerdem habe ich das Gefühl, dass jeder gelebte traurige Moment mir danach nicht mehr anhaftet. Mir wird jeden Tag ein bisschen klarer, dass ich absolut nicht traurig bin wegen der Dinge und des Menschen, die mich verlassen haben. Ich könnte sie und ihn nur schwerlich noch weniger vermissen als ohnehin schon. Das mag hart klingen und vielleicht auch ein bisschen zu gewollt. Es ist dennoch wahr. An keinem einzigen Tag habe ich ihn vermisst, ihn mir zurückgewünscht oder vorgestellt, wie es gewesen wäre, wenn ich dieses Gespräch an diesem Sonntag im August nicht begonnen hätte. Ich will auf keinen Fall zurück. Der einzige Weg führt nach vorn. Ich habe so viel vor, ich möchte so viel sehen und so viel erleben, was mit ihm und diesem gemeinsamen Leben niemals möglich gewesen wäre. Mein Leben soll größer sein und bunter und voller Abenteuer. Wir können doch immer wieder an die Orte zurückkehren, die wir kennen und die wir lieben. Aber das sollte uns niemals davon abhalten, neue Wege zu gehen. Neue Orte zu sehen und uns selbst woanders zu erleben. Wenn uns nicht gefällt, was wir sehen, ist der Weg nach Hause doch immer der einfachste. Dieser Gedanke ist so beruhigend für mich. Ich merke einfach, wie viel weniger schlimm alles ist, wenn ich zu Hause bin. Obwohl die Zeit natürlich nicht stillsteht, fühle ich mich dort einfach sicher und unantastbar. Aber auf eine gute Weise. Egal, wie schlimm mir diese Erfahrung manchmal erscheint und wie traurig sie mich manchmal macht, in meinem Zuhause liegt die Wahrheit und am Ende des Tages ist alles nicht so schlimm. Ich bin so unendlich erleichtert und dankbar darüber, was meine Eltern mir beigebracht haben, auf welchen Weg sie mich gebracht haben und welche Menschen ich auf dem Weg treffen konnte. Ihre Entscheidungen haben mich hierher gebracht. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie es wäre, so wenig empathisch und eingeschränkt sozial fähig zu sein, wie es mir so schmerzhaft begegnet ist. Zwar versuche ich mir das alles immer wieder zu erklären, aber mir fällt es so schwer zu verstehen, wie ein anderer so gar nicht zu können vermag, was mir selbst so leicht fällt und natürlich vorkommt. Ich lerne aus dieser Phase so viel über mich selbst und über das, was ich in einem Menschen brauche und möchte, mit dem ich mein Leben verbringen könnte. Bisher ist es mir noch nicht begegnet. Aber nach dieser Erfahrung werde ich ganz sicher merken, wenn es jemand aufrichtig gut mit mir meint, wann auch immer das sein wird.
 
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