19 Oktober 2013 0 Kommentare

Von englischen Fenstern

Land und Leute haben so ihre Eigenheiten. Das ist überall so. Aber noch mehr Eigenheiten haben wohl die Dinge, die sie erschaffen und die Logik, mit der sie sie rechtfertigen.
Seit drei Wochen gebe ich Konversationsunterricht in Deutsch für eine pensionierte Dame im Nachbarort Houghton. Konversationsunterricht klingt sehr viel hochtrabender als es tatsächlich ist. Wir reden über alle möglichen Themen, ich spreche und höre meine Muttersprache und bekomme dafür £10 pro Stunde. Alles in allem ein hervorragender Deal. Aber es kommt noch besser. Carolyn, meine "Schülerin", ist eine sehr gebildete und sehr interessante Dame. Sie hat drei Jahre lang in der englischen Botschaft in Wien gearbeitet, weshalb sie überhaupt erst Deutsch gelernt hat, das sie nun wieder auffrischen möchte. Außerdem hat sie im Innenministerium, im Finanzministerium und sogar in 10 Downing Street (zu Thatcher-Zeiten) gearbeitet. Sie ist umfangreich interessiert, spricht auch Französisch und Italienisch und hat viele Freunde in anderen Ländern. Das macht sie zu einer hervorragenden Gesprächspartnerin, wenn es darum geht, die Eigenheiten der Engländer zu beleuchten. Außerdem ist sie Schottin. Nun sollte wohl alles klar sein.
Vergangene Woche habe ich Carolyn gefragt, weshalb hier im Süden Englands eigentlich die Straßen von diesen hohen Hecken gesäumt sind. Ich habe ein paar Vermutungen in den Raum geworfen, aber zu einer richtigen Antwort kamen wir nicht. Als ich diese Woche wiederkam, nahm Carolyn diese Frage erneut auf und sagte, sie habe darüber nachgedacht und werde noch ein wenig weiter recherchieren, um eine uns beide zufrieden stellende Antwort zu finden, denn aus ihren schottischen Heimatgefilden kennt sie diese Straßensäumung auch nicht.
Ein anderes Thema, das wir in dieser Woche weiter beleuchtet haben, sind die englischen Fenster. Ich komme nicht darüber hinweg, dass man Fenster baut, die nicht nach innen geöffnet werden können, was es notwendig macht, die Fenster von außen zu putzen. Wie unbequem das ist und dass man dafür mindestens ab dem 1.Stock eine Leiter braucht, liegt auf der Hand. In Woche 1 oder 2 habe ich also während unserer Unterhaltungen über die Unterschiede zwischen England und Deutschland auch die Fenster erwähnt und Carolyn konnte diesen Montag eine Anekdote dazu beisteuern. Nachdem sie und ihr Mann Stephen ihr jetziges Haus (namens Cherry Tree) gekauft haben, ließen sie ein paar Umbauten daran vornehmen, die an der Rückseite des Hauses auch Fenster einschlossen. Sie hat den Bauunternehmer also auch bezüglich der Fenster befragt und von jenen praktischen Fenstern berichtet, die sie aus ihrer Wiener Wohnung kannte. Gütigerweise erklärte ihr der versierte Herr, weshalb dies keinesfalls möglich sei. Der gegen das Haus fallende Regen sei nämlich um so vieles besser von den nach außen öffnenden Fenstern auszuhalten, dass nur diese in Frage kämen. (An dieser Stelle möchte ich für die nicht regelmäßigen Englandurlauber anmerken, dass man diese Fenster nicht mal ankippen kann. Sie öffnen nach außen und haben einen Metallsteg mit Löchern wie solche im Gürtel, mit denen man einen gewissen Abstand fixieren kann. Wie ungemein praktisch und leicht von außen zu öffnen.) Carolyn wies den Bauunternehmer darauf hin, dass auch im Rest Europas Regen falle. Sogar gegen Fenster. Und durchaus in vergleichbarer Menge. Doch er ließ sich nicht abbringen. Es werden nach außen öffnende Fenster verbaut und basta! Es gab also kein kontinentaleuropäisches Flair für Carolyns und Stephens Domizil. Aber seid versichert, sehr hübsch anzusehen - von innen und außen - ist es nichtsdestotrotz.
13 Oktober 2013 0 Kommentare

Früher war Au Pair mal anders

Als ich vor 5 Jahren in West Sussex als Summer Au pair gearbeitet habe, war ich mit 23 gefühlt die älteste. Mein "hohes" Alter hat damals viele verwirrt und ich erntete das Verständnis der Leute erst, als ich sagte, ich brauche das fürs Studium. Dann war alles klar.

Heute bin ich noch viel älter, aber ich bin in sehr guter Gesellschaft. Derzeit haben die Gastfamilien in England wohl die bestqualifiziertesten Au pairs aller Zeiten. Hier arbeiten unzählige Au pairs mit Hochschulabschlüssen, häufig sogar mit mehr als nur einem. Sie kommen nach England, weil sie in ihren Heimatländern keinen Job finden und so sitzen wir bei Au pair Abenden gerne mal zusammen und sind 5 ausgebildete Lehrer am Tisch. Noch prekärer ist die Situation momentan für die Spanier. Sie haben meist mehrere Jobs und schicken Geld nach Hause. Das schockiert mich wirklich sehr, schließlich geht es hier nicht um ein Dritte-Welt-Land, sondern um ein westliches Land innerhalb Europas. Dieser Umstand ist schlicht alarmierend und beunruhigend.

Der Au pair Job ist der gleiche geblieben und ich habe nicht das Gefühl, dass die Familien realisieren, welche hervorragend ausgebildeten jungen Menschen sie da haben, um auf ihre Kinder aufzupassen und den Haushalt zu schmeißen. Sie sehen die Position und nicht das Individuum, das diese ausfüllt.
Außerdem gibt es am Ende des Tages natürlich immer noch jene Menschen, die glauben, Au pairs vor allem aus osteuropäischen Ländern seien ohnehin nur die schlecht Englisch sprechenden Mädchen, die als Putzfrau in England leben wollen, weil schließlich alles besser sein muss als in ihrem eigenen Land zu bleiben. Der Gedanke eines rapide zusammenwachsenden Europas ist hier auf der Insel vor allem in den simpleren Gemütern noch lange nicht angekommen. Im Moment sage ich häufig noch Dinge wie "Wir Kontinentaleuropäer im Gegensatz zu den Engländern...", doch je länger ich hier bin, umso mehr glaube ich, dass es passend ist zu sagen " Wir Europäer sehen das so und die Engländer machen es so." Das bisschen Wasser scheint doch so einiges auszumachen.
09 Oktober 2013 1 Kommentare

Kathi's Adventure in Hampshire


Es hat viel zu lange gedauert, aber hier ist nun ein Update über mein Leben in Broughton. Natürlich hat es einige Zeit gedauert, aber ich habe mich recht gut eingelebt. Der Kulturschock viel etwas kleiner aus, da es ja nicht mein erster längerer Aufenthalt in England ist, aber ganz ausgeblieben ist er trotzdem nicht. Ab und an fasse ich mir noch an den Kopf und möchte nicht mehr loslassen. Aber was will man machen? Andere Länder, andere Sitten. Das ist nicht nur so eine Phrase. Das fängt bei der Bettdeckengröße an und hört bei Fenstern auf, die nicht nach innen zu öffnen sind. Ich warte noch darauf, dass mir jemand die Logik hinter den Fenstern erklärt. Irgendein großes Geheimnis muss es dahinter ja schließlich geben.

Wie im letzten Post thematisiert, war es Zeit, den Blog namensmäßig anzupassen. Aus "Einmal Berlin - Greifswald, bitte!" ist nun also "Kathi's Adventure in Hampshire" geworden.
Ob es zwangsläufig ein Abenteuer wird, weiß ich natürlich nicht, aber das ein oder andere Erlebnis wird sicher in die Kategorie abenteuerlich einzuordnen sein. Am Ende des Tages ist das hier schließlich immer noch England und ich möchte gern den gallischen Philosophen Obelix zitieren: "Die spinnen, die Briten!". 

In den vergangenen Wochen habe ich hier viele nette andere Au pairs kennen gelernt, mit denen ich am Wochenende gerne etwas unternehme. Die meiste Zeit verbringe ich mit Magda, sie ist aus Polen und wohnt auch in Broughton. Wir verstehen uns hervorragend, nicht nur weil sie auch sehr gut Englisch spricht. Außerdem gibt es noch eine Menge netter Spanier hier, natürlich andere Deutsche und die Nationalitätenpalette lässt sich noch auf Tschechien, Österreich, Ungarn, Frankreich und Estland ausweiten. Auch im Dorf sind die Leute alle sehr nett. Vielen der Mütter begegnet man so gut wie täglich beim Hinbringen oder Abholen der Kinder von der Schule. Ich habe zwei kleine Jobs, bei denen ich Hunde ausführe und die Familien sind jeweils auch sehr nett und umgänglich. Ab und an babysitte ich auch für andere Familien, was immer recht leicht verdientes Geld ist. So kommt man hier sehr gut über die Runden, denn groß sind die eigenen Ausgaben ja nicht. Seit zwei Wochen gehe ich auch einmal pro Woche für eine Stunde zu einer älteren Dame im Nachbarort Houghton und spreche mit ihr Deutsch. Sie hat früher einmal für drei Jahre in Wien gelebt, als sie dort in der Botschaft gearbeitet hat. Nun hat sie deutsche Freunde und möchte mit diesen auch ein wenig Deutsch sprechen können. Dieser "Unterricht", wenn man ihn überhaupt so nennen kann, hat sich als sehr interessant erwiesen und es macht großen Spaß, mit Carolyn Unterhaltungen über alle möglichen Themen zu führen.

Für die nächste Zeit gelobe ich hier Besserung und werde versuchen, häufiger mal die kleinen kulturellen Unterschiede zu thematisieren. Es soll ja schließlich auch ein bisschen Spaß machen.


 
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